Die Frage stellt sich mir nun für die Zukunft: Wie schaffe ich es, dass ich eine selbstmotivierte Lehrkraft bleibe? Kann man das auf die Dauer überhaupt schaffen? Wie findet man als Lehrkraft immer wieder den Antrieb und die Kraft, den Stein den Berg hinauf zu rollen? Warum haben so viele Lehrkräfte vor mir nicht die Kraft gefunden und resigniert?
Ich denke, viele Steinchen im Mosaik können hier zum Ziel führen. Hier sind meine Steinchen, die mir helfen sollen, die Motivationskurve zu bekommen:
Effektiver unterrichten mit Mimik und Gestik! Pokerface! Immer öfter wurde mir in den letzten Monaten bewusst, wie sehr die Effektivität der Botschaft von der richtigen Inszenierung abhängt. Die Wirkung von Gestik, Mimik, Proxemik kennen und dann effektiv einsetzen hat viel mit Schauspiel zu tun. Dies fiel mir auch an anderen Kollegen auf. Bei mir selbst merkte ich, dass ich mich in letzter Zeit effektiver im Klassenzimmer bewege, bewusste Pausen setzte, meine Intonation kontrolliere. Lautstärke meiner Äußerungen immer wieder bewusst einsetze, vor allem wenn es im Klassenzimmer zu laut wird.
Das Setzen von Pausen, bewusst laute oder leise Stimmführung halfen mir vor allem in "meiner" diesjährigen Wirtschaftsklasse, die zu Anfang des Schuljahres wirklich äußerst unruhig war. Besonders ein Schüler fiel immer wieder auf, steckte die anderen mit seiner Unruhe an. Anfangs kostete es mich sehr viel Überwindung, kostbare Zeit mit Warten zu verbringen: zu warten, bis ich die Aufmerksamkeit aller Schüler hatte; zu warten, bis alle ruhig waren, zu warten überhaupt! Als ungeduldiger Mensch sah ich die kostbaren Minuten meiner Unterrichtszeit dahinschmelzen. Heute habe ich viel öfter ungeteilte Aufmerksamkeit. Ich habe nicht gelernt, mich zu verstellen, doch ich schaffe immer öfter den Spagat zwischen Authentizität und dem Einsatz "kontrollierter Schauspielerei".
"Die Qualität von Lehrern (…) hat dramatische Effekte für's Bruttoinlandsprodukt: Schon eine leicht höhere Effektivität könnte Billionen Dollar bringen." So lautet das Ergebnis einer Studie . Die Studie besagt, je effektiver ein Lehrer sei, umso besser wären die kognitiven Fähigkeiten seiner Schüler und damit auch deren Einkommenschancen auf dem Arbeitsmarkt. "Schon die schlechtesten fünf bis acht Prozent des Lehrpersonals durch Lehrer durchschnittlicher Qualität zu ersetzen, könnte dramatische Effekte haben. Die USA, bisher im Mittelfeld der Pisa-Rankings angesiedelt, würden in Mathematik und Naturwissenschaften auf einen der Spitzenplätze rücken. Der materielle Nutzen, dargestellt als Barwert, also als die addierten abgezinsten Erträge der Zukunft, würde sage und schreibe rund 100 Billionen Dollar erreichen." Das klingt toll und das motiviert eine ambitionierte Fast-Lehramtsanwärterin! Dann weiß ich jedenfalls, dass, falls ich gut bin, zwar mein Einkommen nicht steigt, aber dafür das meiner Schüler. Ein gutes Gefühl.
Hilbert Meyers Merkmale guten Unterrichts habe ich schätzen gelernt und ich gestehe, dass sie über meinem Schreibtisch hängen, damit ich sie auch wirklich nicht vergesse. Ähm, zugegeben, sie hängen dort seit einer Schulpädagogikklausur aus dem ersten Studienjahr, sozusagen als "Lernplakat". Doch muss ich ebenfalls gestehen, dass ich auch bei meiner Unterrichtsvor-bereitung immer mal wieder draufschaue und kontrolliere, ob im Unterricht noch etwas fehlt oder eventuell umstrukturiert werden müsste. Und immer wieder denke ich mir: Denk dran: sei authentisch!
Der Unterricht funktioniert nur, wenn du alles gut präsentieren kannst. Denn NUR wenn die Lehrkraft es versteht, all die aufgezählten Fähigkeiten und Eigenschaften, die eine Lehrkraft angeborenermaßen mitbringen sollte, mit den zehn Merkmalen guten Unterrichts von Hilbert Meyer zu verbinden, dann, ja dann könnte der Unterricht richtig gut werden. Und wenn ich mir dann die Selbstmotivation behalte, mir "meine" elf Merkmale guten Unterrichts immer wieder ins Gedächtnis zurück zu rufen, dann habe ich Hoffnung für mich selbst. Und dann kommt auch noch ein zwölftes Merkmal hinzu: der Spaß!
Gerade der Respekt, dem ich einem Störenfried gegenüber zeige, hilft! Dies erkannte ich im Umgang mit meinem Schüler Fred (Name wurde geändert) aus der oben erwähnten unruhigen Wirtschaftsklasse: Es dauerte, bis ich erkannte, dass Schimpfen eben nur kurzfristig Ruhe bringt. Es dauerte auch, bis ich erkannte, dass ich ihn in seiner Unruhe nicht ernst nahm. Erst als ich anfing, mich wirklich mit ihm auseinanderzusetzen, in nach seinem Grund (den er nicht nennen konnte) für die Unruhestifterei zu fragen, als er merkte, dass ich ihn ernst nahm, fingen wir an, wirklich miteinander zu kommunizieren. Heute sind wir an einem Punkt, an dem wir uns gegenseitig respektieren, zumindest geht auch er mittlerweile respektvoller mit mir um, vielleicht sogar ein wenig freundlich (:-))! Insgesamt stört er viel weniger. Wieder bewahrheitet sich: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück! – Oder ein bisschen Self-Fulfilling-Prophecy (hier spricht die Idealistin in mir:) Je mehr ich von den Schülern erwarte, desto mehr können sie leisten. Und nur der Schüler, der sich respektiert fühlt, geht auch gut mit seiner Lehrkraft um.
Liebe dein Unterrichtsfach und zeig es auch! Wenn ich selbst motiviert bin und zeige, dass ich Interesse am Thema habe, kann ich auch Interesse, kann ich Motivation wecken. Gehe ich missmutig an ein Thema heran und lasse die Schüler am Ende noch verbal an meinem Missmut teilhaben, kann das nix werden!
Sei gut vorbereitet, sei souverän auch bei den eigenen Fehlern! Auch eine Lehrkraft darf Fehler machen. In Deutschland ist es aber sehr verpönt, Fehler zu machen, denn wer Fehler macht, kriegt eine schlechte Note. Wenn ich das also meinen Schülern vorlebe, und nie zugebe, dass ich mal etwas nicht weiß, sondern immer so tue, als sei ich die personalisierte Wikipedia, traut sich irgendwann kein Schüler mehr, einen Fehler zu machen. Die Unterrichtsatmosphäre leidet, eine Arbeitsatmosphäre, in der auch mal ein Hirngespinst geäußert wird, wird im Keim erstickt.
Sei neugierig, sei experimentell, öfter mal was Neues: neues Medium, andere Unterrichtseinstieg, das alte Arbeitsblatte mit neuer Schrift – oder ganz neuem Inhalt? Ein Unterrichtsgang, oder vielleicht … E-Learning?
Ausgelöst durch Behandlung der Unterrichtsprinzipien im Schulpädagogik-Seminar, las ich einige Kapitel in Wiaters Unterrichtsprinzipien. Das Kapitel "Motivation" bereitete auf irgendeine Art Unbehagen, ich konnte das Gefühl aber nicht erklären, denn schließlich war es ja alles richtig, was da stand und was ich bislang über die Motivation gehört hatte. Warum also dieses Unwohlsein? Je länger ich darüber nachdachte, war ich bei der Frage angelangt: Wo bleibt die Lehrkraft? Wenn DIE nicht motiviert ist, dann kann sie ganz bestimmt keine Schüler motivieren. Also muss ich bei mir selbst, d. h. bei der Person der Lehrkraft - vielleicht nicht unbedingt anfangen, doch unbedingt irgendwann - ankommen. Mein elftes Gütekriterium in der Liste der Merkmale guten Unterrichts war schließlich ich selbst!
Wie motiviere ich mich? Möglichkeiten gibt es viele, doch im Unterricht hole ich meine Motivation am direktesten durch meine Erfolgserlebnisse! Erfolg habe ich dadurch, dass ich sehe, wie ich meine Schüler motiviert habe, und dadurch, dass ich feststelle, dass die Schüler mit meiner Hilfe oder durch mein Zutun etwas gelernt haben.
Ziele motivieren. Individuell vereinbarte Ziele, also Ziele, die den "Schüler da abholen, wo er steht" (Individualisierung!) noch mehr. Eine individuelle Zielvereinbarung, natürlich neben dem Ziel das Klassenziel zu erreichen, zeigt dem schwachen Schüler einen Weg auf, sich zu verbessern, etwas gut zu machen, auch wenn dies im Vergleich zur Leistung der Mitschüler immer noch mangelhaft ist!
Dem Schüler zu sagen, er habe eine Verpflichtung zum Lernen fände ich sehr kontraproduktiv, denn das würde Druck, Angst und Stress auslösen und diese Faktoren behindern das Lernen.
Die Idee zu dieser "Lernzielvereinbarung" kam mir beim Nachdenken darüber, was mich in der Vergangenheit antrieb, Ziele zu erreichen. Ich erinnerte mich wieder an meine Zeit in der freien Wirtschaft. In meiner amerikanischen Firma hatten wir jährlich einmal ein Beurteilungsgespräch, in dem die Mitarbeiter zusammen mit ihren Vorgesetzten über die Leistungen des vergangenen Jahres reflektierten. Die wichtigsten Punkte wurden festgehalten und bildeten die Basis für eine Zielvereinbarung für die kommenden zwölf Monate. Hier waren Meilensteine festgelegt, aber auch besondere Trainingsmaßnahmen und Entwicklungsmöglichkeiten, also Ziele, die es zu erreichen galt. Meiner Ansicht nach könnte man dieses System mit hohem Nutzen auf den Schulbetrieb übertragen und damit den unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler gerecht werden. Ich gehe noch weiter, denn ich behaupte, dass die Heterogenität unserer Schüler immer mehr Individualisierung verlangt!
Ich denke, dass Motivation in Zukunft immer mehr über Differenzierungs- bzw. Individualisierungsmaßnahmen erfolgen müsste: Dies könnte folgendermaßen aussehen:
1. Bestandsaufnahme (durch Schüler-Portfolio, Zeugnis, Durchsicht der letzen Leistungsbeurteilungen) und Selbsteinschätzung des Schülers
2. Schüler-Lehrer-(Eltern)gespräch, in dem die "Bestandsaufnahme" besprochen und eine konkrete Zielvereinbarung getroffen wird.
3. Schüler "unterschreibt" die Zielvereinbarung, macht sie zu seinem Ziel
Das bedeutet zugegebenermaßen viel mehr Aufwand als der herkömmliche Unterricht. Das bedeutet auch, dass mehr Material für die Individualisierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen müsste. Ein Weg, diese Art von Differenzierung zu realisieren sehe ich im E-Learning. Schüler könnten in einer Art Lerntagebuch ihren individuellen Fortschritt, aber auch ihre Schwierigkeiten dokumentieren. Diese Art zu lernen hilft nicht nur, die schwächeren, sondern auch die besseren Schüler zu fördern, denn jeder Schüler kann tatsächlich da abgeholt werden, wo er steht.
Als ich diesen Gedanken mit einer "praktizierenden" Lehrkraft besprach, sagte sie, die meisten Schüler hätten gar keine Lust irgendetwas zu lernen. Das sei alles vergebene Mühe. Ich glaube das nicht. Meiner Erfahrung nach sind Schüler, und gerade die, die sonst schwer im Unterricht mitkommen, sehr dankbar dafür, wenn man sich individuell für sie und ihre Leistung interessiert! Als Beispiele hiefür könnte ich einige anführen.
Um eines zu nennen: "Meine" Schülerin M. Sie saß immer mehr oder minder unbeteiligt im Unterricht und meldete sich nie. Irgendwann begann ich, sie immer öfter direkt zu einem Unterrichtsbeitrag aufzufordern. Ich passte meine Frage an ihr Niveau an und irgendwann klappte es, sie antwortete. Mittlerweile meldet sie sich im Unterricht, sie ist eine der wenigen, die ihre Hausaufgabe rechtzeitig abgibt. Für mich ist das eine Motivation, weiter einen individuellen Zugang zu meinen Schülern zu suchen!
Warum ich eine Selbstverpflichtung zum Lernen, eine individuelle Lernzielvereinbarung für gut halte, hat auch psychologische Gründe, denn laut Mietzel habe ich motivationspsychologisch mit einer Selbstverpflichtung des Schülers eine Art Rubikon überschritten. Der Schüler ist durch seine Selbstverpflichtung viel effektiver motiviert, sein "Lernversprechen" einzuhalten. Ich gehe nun so weit, dass ich sage: Nimm den Schüler in die Pflicht. Die neuere Forschung weiß heute auch, dass der Nürnberger Trichter nicht wirklich effektiv ist, sondern der selbsttätige Schüler viel mehr lernt als im autoritären darbietenden Unterricht der 70er Jahre. Ein gutes Gefühl also, dass es nicht meine Bringschuld als Lehrkraft ist, den Schülern das Wissen per Nürnberger Trichter oder durch hamstergleiches Methodengesuche und Materialgebringe "einzulehren". Nein, Schüler sollten selbsttätig (wenn auch von der Lehrkraft vorher instruiert) lernen. Ich gehe jetzt noch einen Schritt weiter und sage: Die Schüler sollten sich im Idealfall selbst zum Lernen verpflichten.
Zur Implementierung sehe ich folgendes Szenario:
Die selbstverpflichtende Lernvereinbarung ist in diesem Zusammenhang mein „Triggerpunkt“, der in der darauf folgenden Zeit wiederum als Motivation dient.
Nur wenn ich als Vorbild selbst motiviert bin, können die Schüler durch mich motiviert werden. Ich bin sozusagen das Modell (Lernen am Modell, Bandura), anhand dessen die Schüler die Motivation "lernen" können.
In Niedersachsen wurde 2006 eine „Dokumentation der individuellen Lernentwicklung“ für jeden einzelnen Schüler von Klasse 1 bis 9 oder 10 eingeführt (Paradies, Linser, S. 24ff) Ausgangslage, individuelle Lernentwicklung (mit Zielen) und Lernprozesse werden darin festgehalten, von Lehrkraft und Schülern dokumentiert und reflektiert. Meiner Ansicht nach ist dies eine hervorragende Art, davon wegzukommen, Schüler nur nach ihren Noten zu beurteilen und damit in die Schublade "gut", "mittelmäßig" oder "schlecht" zu stecken. Vielmehr kann anhand dieser Dokumentation auch der Schüler selbst seine persönlichen Stärken und Schwächen erkennen bzw. seinen Werdegang mitverfolgen, beurteilen (Portfolio!) und schließlich damit auch mehr Verantwortung für die eigene Leistung übernehmen. Lehrkräfte und Eltern können eine "Erziehungspartnerschaft" eingehen.
Die Verantwortung, für die eigene Leistung zu übernehmen, setzt gleichzeitig auch eine gewisse Selbstkompetenz voraus. Das Notensystem, wie es jetzt verbreitet besteht, sagt allerdings in erster Linie nur etwas über die Sachkompetenz des Schülers etwas aus. Beurteilungen wie sie oben beschrieben wurden, könnten dies ändern, darin ließe sich viel mehr auch über angeeignete oder zu schulende Methodenkompetenz dokumentieren. Und schließlich trüge die Selbstverpflichtung und die damit übernommenen Verantwortung dazu bei die Selbstkompetenz zuschulen. Paradies et al. merken an, dass ein Schüler, der eine hohe soziale Kompetenz habe, aber keinerlei Sachkenntnisse in einem bestimmten Fachgebiet besitze, sicherlich auf der Fach- und Sachebene scheitern müsse. Es sei aber unbestritten, dass die Ursachen für mangelnde Sachkompetenz auch in den Bereichen der Lern-/Methoden- bzw. sozialen/personalen Kompetenz liegen könnten.
Ein weiterer Punkt, der für eine Lern-/Ziel-Vereinbarung spricht, sind die Schlüsselkompetenzen, die die Schüler beim Eintritt ins Berufsleben haben sollten. Eine wichtige Eigenschaft darunter ist das Verantwortungs-bewusstsein. Sie sollen nicht nur für sich die Verantwortung übernehmen, sondern auch für andere, bzw. für Aufgaben. Mit der Lernvereinbarung übernimmt der Schüler die Verantwortung für die Erledigung von Aufgaben, die nur ihm zugedacht sind. Mit der zuverlässigen Erfüllung aller im Wochen- oder Monatsplan oder in der Lernvereinbarung geforderten Aufgaben hat der Schüler schon einen Erfolg erzielt, unabhängig davon, wie viele Fehler gemacht wurden. Die erfüllte Lernvereinbarung wird zu einer erfolgreich erfüllten Verantwortungsaufgabe, die es unabhängig von Fehlern zu würdigen gilt!
Nachdem der herkömmliche Unterricht für eine Differenzierung bzw. Individualisierung in Form einer Lernzielvereinbarung, wie sie gerade beschrieben wurde, keinen Raum lässt, wäre mein Weg die Bestandsaufnahme zu Beginn des Schuljahres (bzw. zu Beginn des Zeitraumes, in dem ich den Schüler unterrichte), eine darauf basierende Lernzielvereinbarung, die nicht nur zu erlangende Sach- und Fachkompetenzen enthält, sondern eben auch Methoden, die geschult werden sollen. Die Grenze ist allerdings wohl erreicht, wenn es um soziale und personale Ziele geht. Diese haben hier keinen Raum. (weiter...)