Bevor ich das erste Mal ein Klassenzimmer als Lehrerin betrat, war ich noch überaus euphorisch, dachte, E-Learning im Englischunterricht wäre DIE Methode, um Schüler dabei zu unterstützen ihre Lücken zu schließen. In der Zwischenzeit habe ich Grenzen, besonders für den Englischunterricht entdeckt. Heute (2010) sehe ich E‑Learning als Unterrichtsmethode sehr viel realistischer: Im Englischunterricht ist es viel zu aufwendig, "mal schnell" zum Üben in den Computerraum zu gehen. Auch haben nicht alle Lehrkräfte Doppelstunden zur Verfügung und wenn doch, ist in dieser Zeit nicht unbedingt ein Computerraum frei.
Ist der Computerraum für den Englischunterricht der Schule dann gebucht und frei und hat man eine Doppelstunde zur Verfügung, kann ja nichts mehr schief gehen, dachte ich. Auch hier habe ich gelernt und meine Vorstellungen von E-Learning im Englischunterricht der Realität angepasst.
Ich lernte am konkreten Beispiel: Eine Englischstunde, in der die Schüler das Schreiben einer E-Mail lernen und üben sollten, war vorbereitet. Der Raum gebucht. Eigentlich alles perfekt, aber:
Ich behaupte, dass ich im Normalfall und mit all den genannten Schwierigkeiten gut umgehen kann, wenn auch nicht unbedingt viertel vor acht Uhr in einer Praktikumsschule. Doch eine andere Lehrkraft, die als Zweit- oder Drittfach nicht gerade KT hat, tut sich da wohl schwerer! Die Medienkompetenz fehlt. Schulungen für E-Learning gibt es als Lehrerfortbildungen explizit noch gar nicht, wenn dann nur im Rahmen anderer Fortbildungen. Fazit ist, dass man auch als medienkompetente Lehrkraft für den Englischunterricht eben nicht "mal schnell" in den Computerraum geht, sondern angesichts des organisatorischen Aufwands wohl höchstens 1x im Monat, realistischerweise wohl einmal pro Sequenz. Seltener sollte es aber auch nicht sein, sonst verliert der Computer sein "vertraut sein" im Englischunterricht. Mehr über dieses Thema hier.
Wenn man dann aber mit der Klasse im Computerraum ist und die Technik funktioniert, kann E-Learning an sich schon begeistern: Die Spielmotivation der Schüler ist super, löst allerdings auch das Phänomen aus, dass die Schüler, sobald sie am PC sitzen, sofort anfangen möchten. Als ich in "meiner" neunten Klasse die oben beschriebene E-Learning-Stunde hielt, ließ ich die Schüler Vorbereitungen treffen (Computer hochfahren, einloggen, Programme starten, Datei laden, etc.), forderte sie daraufhin aber auf, den Bildschirm wieder auszuschalten. Empörung war die Reaktion. Diese Empörung konnte ich schwer dämpfen, vor allem weil ich noch ein Warm-up-Spiel ausführen ließ, das mit dem PC gar nichts zu tun hatte. Mein Glück war, dass das Warm-up-Spiel sie begeisterte und sie ablenkte. Was ich daraus gelernt habe ist, dass man im Computerraum möglichst computert. Denn dann bleibt die Arbeit am Medium spaßfördernd. Beim nächsten Mal werde ich das Warm-up im Klassenzimmer durchführen, bevor wir in den Raum gehen, oder ein nettes Spielchen am PC spielen lassen, oder ausfallen lassen!
Abgesehen von den beschriebenen Problemen verlief der Rest der Stunde sehr zufrieden stellend für alle. Die Schüler waren durch die mit E-Learning leicht zu bewerkstelligende Differenzierung (jeder arbeitet in seinem Tempo, zwischendurch kann man die Klasse für weiteren Input sammeln, gute Schüler führen weniger Aufgaben aus als schächere) äußerst selbsttätig und zum Ende der Stunde hatte wirklich jeder (!) Schüler eine E-Mail am Computer geschrieben. Die Probe am darauffolgenden Tag, in der die Schüler eine Postkarte schreiben sollten, fiel gut aus. Anzumerken bleibt allerdings, dass 45 Minuten Computerraum für den Vorbereitungsaufwand zu kurz gewesen wären und das Lernziel, eine E-Mail zu schreiben, aus Zeitgründen nicht hätte erreicht werden können. Mit 90 Minuten ist der Gang in den Computerraum jedoch lohnend und auch zielführend.
Ein kurzer Erfahrungsbericht aus der Schulpraxis zum Thema E-Learning im Klassenzimmer: In meinem ersten Studienjahr war ich im Englischunterricht an einer Praktikumsschule im Norden von München. Leider kommunizierten der dort installierte Beamer und mein Laptop nicht reibungslos miteinander, die Praktikumslehrerin kannte sich mit der Technik nicht aus. Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt auch noch relativ hilflos. Meine M10 war genervt. Ich war am Boden zerstört: Die "perfekte" Nordirlandkonflikt-Stunde war umsonst geplant: Der Ton funktionierte nicht, die Qualität des Bildes war miserabel. Folge: weder die vorbereiteten Fragen zum Film noch das Lied für die Listening Comprehension konnten verwendet werden. Leider basierte meine ganze Stunde auf dem Einsatz dieser Medien und ich hatte im Vorfeld nicht bedacht, dass etwas nicht funktionieren könnte. Seitdem habe ich immer einen Plan B in der Tasche wenn ich moderne Medien einsetze.
Wenn die Ausstattung mit digitalen Medien auch im Jahr 2011 immer noch schlecht ist, steht heutzutage jedoch in fast jedem Klassenzimmer mindestens ein Desktopgerät, idealerweise mit Internetanschluss und Druckerzugang zur Verfügung. Mit dieser Ausrüstung könnte ich mir folgende Möglichkeiten vorstellen:
Meine Umfragen bei Schülern haben ergeben, dass in mindestens 95 % aller Haushalte ein Computer verfügbar ist. Alle Schüler haben die Möglichkeit, einen Computer entweder bei Freunden oder Verwandten zu nutzen. Wer niemanden mit Computer kennt, kann einen Schul-PC nutzen. Die Nutzung einer Lernplattform/Webseite für den Englischunterricht bzw. für das Üben zuhause brächte aus meiner Sicht folgende Vorteile:
Üben zu Hause
Stellt man Übungsmaterial auf die Webseite/die Plattform, können Schüler am Computer zu Hause so oft und so lange üben, wie nötig. Das ist ideal besonders in finanziell weniger gut gestellten Familien, wo ein zusätzliches Übungsbuch nicht erschwinglich ist.
Schüler können Teile ihrer Hausaufgaben mit dem Computer erledigen. Das schult die Medienkompetenz und stärkt auch die Selbstkompetenz. Hausaufgaben werden vom Schüler viel lieber erledigt, wenn sie abwechslungsreich sind und noch lieber, wenn sie auch noch Spaß machen – und schließlich helfen die positiven Emotionen unserem Gehirn beim Speichern. Da Kinder gern spielen, bietet sich ein Grammatikspiel hier und da an. Das Spiel fördert dann "nebenbei" die Selbsttätigkeit und damit auch die Selbstständigkeit. E‑Learning kann zuhause hervorragend genutzt werden, um Versäumtes nachzuholen oder Wissenslücken zu schließen, oder auch zur Erledigung von Aufgaben im Rahmen einer Lernvereinbarung. Ist die Motivation, am Computer Übungen zu machen, durch eine Hausaufgabe auf einer Webseite oder Lernplattform erst einmal geweckt, ist es auch sehr gut möglich, dass ein Schüler selbsttätig wird und im selbstständigen Lernen in seinem eigenen Tempo weitere Übungen erledigt. Der Schüler lernt dabei auch, dass und wie er sich Wissen selbst aneignen kann. Ein schönes Beispiel für die Selbsttätigkeit. Und Methodenkompetenz wird nebenbei, im Spiel entwickelt.
Multimedia-CDs
Multimedia-CDs lassen sich Zuhause und in der Schule (Netwzerkversion) verwenden. Manche Schulbuchverlage bieten schulbuchbegleitende Hör- und Übungs-CDs an. Diese sind jedoch auch wieder nicht für alle Familien erschwinglich. Die Multimedia-Variante ist sogar ausgesprochen teuer (je CD ab ca. 25,00 bis 50,00 Euro), die CD müsste jährlich erneuert werden (neues Buch) deshalb ist sie für den Schüler auch wieder schnell veraltet. Cornelsen beispielsweise hat für seine Reihe New Highlight Multimedia-CDs für die Klassen 5 bis 7. Für Kletts Reihe Green Line New gibt es eine Multimedia-Übungs-CD für die Klassen 5-10.
Listening Comprehension
Gerade im Bereich Listening Comprehension, der ja für die interkulturelle Kommunikation überaus wichtig ist, bieten sich bei der Einzelarbeit große Vorteile, denn die Schüler können die Texte so oft anhören wie nötig, um das Gesprochene zu verstehen. Die Hörtexte können gleichzeitig zur Schulung der Aussprache verwendet werden. Als Materialien für diese Art von Übungen bieten sich natürlich die von einigen Verlagen schulbuchbegleitenden Hör-CDs an, die allerdings kostenpflichtig sind. Mit dem Einsatz des Computers allerdings nutzt man direkt wieder dessen Motivationspotential und kann gleichzeitig die Übungen steuern. Ein Beispiell:
Im Internet stieß ich auf Hörvideos auf der Webseite ELLLO, auf der man diverse Hörvideos von Muttersprachlern und Nicht-Muttersprachlern zu vielfältigen Themen findet, z. B. wie im Bild zum Thema UFOs. Ein Sprecher erscheint im Bild und spricht über ein Thema. Beim Zusehen/Hören kann man sich den gesprochenen Text einblenden lassen – Satz für Satz oder auch als Fließtext. Zusätzlich gibt es noch Fragen zum Text, die das Programm mit "richtig" oder "falsch" bewertet. Meiner Ansicht erfüllt ist diese Art von "Hörtext" mehrere Ansprüche: Sie ist durch die Sprecherperson mit ihrer Mimik und Gestik wesentlich realistischer als ein unsichtbarer Sprecher. Der Sprecher hat hohen Aufforderungscharakter, ist motivierender. Da auf ELLLO fast nur junge Leute sprechen – und sie sprechen über alles Mögliche was Jugendliche interessiert – schafft es der Autor auch, großen Lebensweltbezug herzustellen. Ein Schüler, der sich mit dem Hörverständnis noch sehr schwer tut, kann den Text Satz für Satz mitlesen, somit kann differenzierend bzw. individualisiert gearbeitet werden. Schließlich besteht auch noch die Möglichkeit, die Videos zur Ausspracheübung zu verwenden, indem man sooft pausiert und nachspricht wie gewünscht. Hier würde ich meinen Schülern allerdings nur die Videos von Muttersprachlern empfehlen.
E-Learning ist keine ganzheitliche Lehrmethode. Leider fehlt die Dimension des Körperlichen: Mimik, Gestik, Intonation können nicht direkt mit einem Gesprächspartner oder Publikum geübt werden, können allerdings mit audiovisuellen Materialien durchaus imitiert werden. Hier kommen Multimedia-Angebote und unbedingt wieder Blended Learning ins Spiel, denn die „Speaking-Stunden“ sind unbedingt in den Präsenzunterricht einzuplanen. Was man aber durchaus mit E‑Learning praktizieren könnte, sind Ausspracheübungen: Hier könnten Wörter, Sätze oder ganze Texte durch Nachsprechen helfen, die Aussprache der Schüler zu verbessern. Man könnte etwa eine Wortschatzübung mit Hot Potatoes entwerfen, in der die Schüler die Möglichkeit haben, sich das Wort richtig ausgesprochen per Kopfhörer oder Lautsprecher anzuhören. Oder man könnte einen Dialog aufsprechen, den sich die Schüler beliebig oft anhören können. Anschließend könnte dieser Dialog nochmals mit Pausen aufgenommen werden, in denen die Schüler nachsprechen können. Ideen habe ich sehr viele, leider fehlt gerade die Zeit, sie alle zu realisieren, doch Stück für Stück werde ich mir eine Materialsammlung erarbeiten.
Ein flächendeckender Einsatz von digitalen Medien im Klassenzimmer wäre heute zwar technisch möglich, scheitert aber aus verschiedenen Gründen:
Es gibt zwar diverse Initiativen für den Einsatz im Unterricht, doch diese sind regional und qualitativ manchmal fragwürdig (Austausch von Medien über das Internet. Beispiel: www.4teachers.de, Lehrer ans Netz, etc.)
Wie eine Umfrage von mir ergab, sieht die Realität an der bayrischen Hauptschule so aus, dass die Schüler im Rahmen des Englischunterrichts gar nicht oder nur sehr selten mit dem Computer und dessen Möglichkeiten in Kontakt kommen. Die Umfrage, die ich im Dezember 2010 durchgeführt habe, brachte folgendes Ergebnis: Während fast alle Befragten (26 Lehrerkräfte), den CD-Player oder Overheadprojektor mindestens 1-2 pro Woche im Unterricht einsetzten, benutzten 19 Lehrkräfte den Beamer und 22 den PC als Hilfsmittel im Unterricht gar nicht oder selten (seltener als einmal pro Monat). Hier die Übersicht graphisch dargestellt.
Der CD-Player ist das am meisten genutzte technische Gerät im Unterricht. Elf von 26 Lehrkräften nutzen es in jeder Unterrichtseinheit. Dreizehn Lehrkräfte verwenden den CD-Player ein bis zweimal pro Woche. Nur 2 Lehrkräfte verwenden den CD-Player seltener. Im folgenden die Geräte Overhead-Projektor, Beamer (mit PC) und PC als Medium an sich:
Wie man sehen kann, werden Beamer und PC fast gar nicht genutzt (orange-farben und rot). Auf die Frage, warum die Medien Beamer und PC nicht bzw. nur selten genutzt werden, antworteten die Befragten wie folgt:
Nach meinen Erfahrungen kann ich die Antwort "zu viel Aufwand" durchaus nachvollziehen. Die Antwort "kein Gerät/Raum zu Verfügung" ist meiner Ansicht nach eine Organisationssache. Dass sich die Lehrkräfte mit den Medien nicht auskennen, könnte man mit gezielten Lehrerfortbildungen ändern. Da ist das KuMi gefragt!!! Der Rest ist nicht Schweigen, sondern ein gewagter Blick in die Zukunft.
Meine Vision für E‑Learning im Allgemeinen habe ich schon zu Anfang dargestellt. Meiner Meinung nach wird sich die Situation in den nächsten Jahren auch tatsächlich ändern: Lehrer werden immer mehr Medienkompetenz erwerben, entweder selbst geschult oder eben in Schulungen. Ich bin Idealistin und sage: Das ist eine notwendige Entwicklung aus dem Trend unserer Zeit heraus. Und irgendwie werde ich versuchen, in der Zukunft möglichst viele Kolleginnen und Kollegen mit meiner Begeisterung für die Sache anzustecken und vielleicht selbst die eine oder andere Schulung halten.
Heute besitzt jeder Schüler bereits ein Handy. Das iPad gibt’s auch schon. Ich denke, der Trend geht zum Netbook bzw. Minicomputer, den man überall mit hinnehmen kann. Auf diesem kann dann der Schüler tatsächlich überall seine Hausaufgaben machen, sich auf der Lernplattform einloggen, seine Daten herunter laden und seine Aufgaben erledigen.